Bezug von deutschen Familienleistungen während eines Zivildienstes in Frankreich

Rechtliche Analyse, September 2025: Zusammenfassung
I. Einleitung
- Den europarechtlichen Vorschriften zufolge ist es wünschenswert, dass sich junge Menschen in Europa sozial engagieren. Es ist jedoch festzustellen, dass bei Kindern von Grenzgängern die Solidaritätsbereitschaft heute aus finanziellen Gründen möglicherweise eingeschränkt wird.
- 2018 befasste sich die Task Force der Großregion (TFG) mit der Problematik des Anspruchs auf Kindergeld bei Grenzgängern, die in Frankreich wohnen und in Deutschland einer beruflichen Tätigkeit nachgehen, wenn ihr Kind in Wohnsitzstaat einen Freiwilligendienst leistet.
- Damals war die deutsche Familienkasse nach der Intervention der TFG bereit, für das betroffene Kind Kindergeld zu bezahlen.
- Seit einiger Zeit gehen bei der TFG einige Rückmeldungen von Grenzgängern ein, die berichten, dass sich die deutsche Familienkasse nun wieder weigert, in derartigen Situationen Kindergeld zu bewilligen. Diese Frage wurde kürzlich den Gerichten unterbreitet. Mit Urteil vom 13. Mai 2024 bestätigte das Bayerische Landessozialgericht den abschlägigen Bescheid der deutschen Familienkasse. Die Weigerung, für Kinder von Grenzgängern Kindergeld zu gewähren, sei gerechtfertigt und stehe mit dem Willen des Gesetzgebers im Einklang, so dass den europäischen Gerichten keine Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen sei. Die TFG bedauert die Entscheidung des nationalen Gerichts, diese Sache nicht dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorzulegen. Dieses für die TFG nicht zufriedenstellende Urteil scheint ungerecht und mit dem Sinn des Europarechts nicht vereinbar zu sein. Nach einer Schilderung des gegenständlichen Sachverhalts und der ergangenen Entscheidungen (II) folgt eine Analyse der gerichtlichen Argumente mit Überlegungen der TFG (III) und abschließend ihr daraus gezogene Fazit (IV).
II. Entscheidung des Bayerischen Sozialgerichts vom 13. Mai 2024
- In dieser Berufungsentscheidung hat das bayerisches Landessozialgericht die Frage entschieden, ob die Klägerin auf der Grundlage von Artikel 2 des BKGG (Bundeskindergeldgesetz) Anspruch auf Kindergeld für ihre Tochter hat, während diese einen Freiwilligendienst in Frankreich leistet, dem Land, in dem beide wohnen.
- Das Berufungsgericht wies die Klage der Klägerin ab, ab, mit der Begründung, dass es sich nicht um einen komplexen Sachverhalt handele und dieser keiner weiteren Klärung bedürfe, da keine neuen Elemente vorgebracht worden seien. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union im Wege einer Vorabentscheidung wurde nicht für erforderlich gehalten.
- Zunächst schloss sich das Berufungsgericht der Begründung des Sozialgerichts Nürnberg vollständig an. Anschließend stellte das Gericht fest, dass seit einer Änderung des § 2 Abs. 2 des BKGG im Jahr 2022, der einen besonderen Teil für Freiwilligendienste enthält, ein Versäumnis des Gesetzgebers nicht (mehr) geltend gemacht werden kann. Schließlich stellt es fest, dass der Gesetzgeber den europäischen Geist ausreichend berücksichtigt hat.
III. Analyse und Überlegungen der TFG: Ein Ergebnis, das dem erklärten Ziel der Europäischen Union zuwiderläuft
- Für die TFG ist diese Entscheidung in einigen Punkten fragwürdig und das Ergebnis scheint dem Geist des europäischen Rechts zu widersprechen.
- So ist beispielsweise anerkannt und gängige Praxis, dass Kinder von Grenzgängern, die jünger als 21 Jahre sind und bei der Arbeitsagentur ihres Wohnortes gemeldet sind, Anspruch auf deutsches Kindergeld haben, obwohl der deutsche Gesetzestext eine Anmeldung bei der Arbeitsagentur auf deutschem Boden vorschreibt.
- Jeder Zivildienst, dessen organisierende Struktur nicht in Deutschland ansässig ist, ist von vornherein ausgeschlossen
- Eine klare Absicht des deutschen Gesetzgebers im nationalen Recht ist keine Garantie für die Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht, da der Gesetzestext die besondere Situation von Kindern von Grenzgängern, die keinen europäischen Zivildienst leisten, wenn sie sich dafür entscheiden, diesen in ihrem Wohnsitzland zu absolvieren, nicht berücksichtigt.
- Darüber hinaus darf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nicht per se auf das BKGG übertragen werden, da die beiden Texte nicht nach derselben Logik funktionieren.
IV. Schlussfolgerungen
Die TFG ist der Meinung, dass die aktuelle Praxis, abgeleistete Freiwilligendienste ohne Prüfung grundsätzlich nicht anzuerkennen, mit dem europäischen Gedanken und dem Europarecht nicht vereinbar ist. Zu diesem Thema wurde eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission eingereicht.
Die TFG ruft ihre Finanzpartner in der Großregion, für die die Mobilität junger Arbeitnehmer ein zentrales Thema ist, zur Unterstützung auf.
Diese Thematik betrifft potenziell alle Kinder von Grenzgängern, die in einem Nachbarland Deutschlands wohnen. Angesichts der Bedeutung dieser Frage für die Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland schlägt die TFG jedoch vor, dieses Thema in das Arbeitsprogramm des Ausschusses für grenzüberschreitende Zusammenarbeit aufzunehmen. Am 29. August 2025 wurde zwischen Frankreich und Deutschland eine Absichtserklärung unterzeichnet, in der die Mobilität gefördert und die Bereitschaft zur Beseitigung der Hindernisse für Grenzgänger bekräftigt wird.
Link zum vollständigen Urteilskommentar:
„Anspruch auf deutsches Kindergeld bei Ableistung eines Freiwilligendienstes in Frankreich“, September 2025, TFG, Céline Laforsch
Bei Fragen oder Anmerkungen können Sie sich an die TFG wenden:
task-force-grenzgaenger@arbeitskammer.de